Friday, October 19, 2007

ZAHNPASTA AUS CHINA - Indianer deckt Gift-Skandal auf

Indianer deckt Gift-Skandal auf

Die Affäre hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt: Millionen Verbraucher benutzten jahrelang verseuchte Zahnpasta aus China. Erst jetzt wurde bekannt, wie der Fall begann - die entscheidende Rolle spielt ein Indianer aus Panama.

Panama - Eduardo Arias ist ein 51 Jahre alter Kuna-Indianer. Er ist in einem Reservat aufgewachsen, auf einer der San-Blas-Inseln vor der Karibikküste Panamas. Dass er einen weltweiten Gift-Skandal aufdecken würde, war nicht unbedingt zu erwarten.

Panama-Kanal: Unerklärlich, warum eine bekannte giftige Substanz frei verkauft wurde
Dabei geht es um eine Affäre ungeheuren Ausmaßes. Betroffen waren insgesamt 34 Staaten, von Vietnam bis Kenia, von Tonga im Pazifik bis zu einzelnen Inseln in der Karibik. Es geht um verseuchte Zahnpasta, die weltweit verkauft wurde. In Kanada wurden mittlerweile 24 kontaminierte Sorten gefunden, in Neuseeland 16. In den USA wurde die Zahnpasta in Gefängnissen verteilt, ebenso in Krankenhäusern und Hotels. Allein in Japan wurden 20 Millionen vergiftete Tuben sichergestellt.
Doch zunächst hat niemand etwas bemerkt. Keine Gesundheitsbehörde, kein Händler, kein Verbraucherschützer. Nur Eduardo Arias, dem panamaischen Indianer, ist etwas aufgefallen.
An einem Samstagmorgen im Mai war Eduardo Arias einkaufen. In einem Discount-Laden in Panama-Stadt wollte er CD-Rohlinge besorgen. Doch etwas machte ihn stutzig: eine überdimensionale Anzeige für Zahnpasta. "Ich musste keine einzige Tube anfassen", erzählt Arias der "New York Times". "Die Buchstaben waren auch so groß genug. Auf der Packung stand: Diethylenglykol."
In Dutzenden Ländern hatten sämtliche zuständigen Stellen das Wort einfach übersehen. Dabei prangt es deutlich sichtbar auf der Zahnpasta-Tube. "Es war mir unerklärlich, warum eine bekannte giftige Substanz frei verkauft wurde", sagt Arias.
Dem Zahnpasta-Skandal folgten viele weitere
Diethylenglykol ist ein süßlich schmeckender, giftiger Inhaltsstoff von Frostschutzmitteln. Arias kannte den Begriff aus einem einfachen Grund: In Panama wurden im vergangenen Jahr 138 Menschen getötet oder verletzt, weil sie Sirup getrunken hatten, der mit Frostschutzmittel gestreckt war. Seitdem ist Diethyleneglykol in Panama nicht nur Fachleuten bekannt. Doch den Behörden fiel trotzdem nicht auf, dass auch Zahnpasta mit dem Gift kontaminiert ist.
Nach mehreren Untersuchungen steht heute fest: Die Zahnpasta stammt aus China. Durch den Fall kamen die weltweiten Proteste gegen Gift-Importe aus der Volksrepublik überhaupt erst ins Rollen - dem Zahnpasta-Skandal folgten viele weitere. Zuletzt war vor allem Spielzeug aus chinesischer Produktion in die Kritik geraten.
Nun machte die "New York Times" Eduardo Arias ausfindig und deckte damit auf, wer am Anfang dieser ganzen Kette stand. "Die ganze Geschichte begann in Panama", sagt Jorge Motta, der Direktor des Gorgas Memorial Institutes, einem bekannten Forschungszentrum in Panama-Stadt. "Ein kleiner Schmetterling in Mittelamerika hat in China einen Sturm ausgelöst."
"Ich bin froh, dass ich helfen konnte"
Eduardo Arias hatte erst erwogen, den Verkäufer in dem kleinen Discount-Geschäft auf seine Entdeckung hinzuweisen. Doch das hätte keine Folgen, dachte er sich. Also ging er in das nächste Gesundheitsamt und erzählte, was er herausgefunden hatte. Er wurde jedoch abgewiesen und an ein anderes Gesundheitsamt verwiesen.
Dort fand er sich in einer langen Warteschlange wieder. Als er schließlich dran kam, wurde er in eine andere Abteilung des Gebäudes verwiesen, wo er seine Geschichte erneut einem Beamten erzählen musste. "Ich zeigte ihm die Zahnpasta und was darauf stand: Diethylenglykol. Ich sagte ihm auch, wo ich die Tube gekauft hatte."
Der Beamte wollte ihn erst zu einer weiteren Behörde schicken, doch Arias bestand darauf, dass der Fall sofort geklärt werde. Der Beamte gab ihm ein Formular, das er ausfüllen sollte. Eduardo Arias tat wie ihm geheißen. Wirklich sicher war er aber nicht, ob die Behörden seinen Hinweis ernst nähmen.
Drei Tage später sah er dann Panamas Gesundheitsminister im Fernsehen. Er sagte, dass man Zahnpasta gefunden hätte, die Diethylenglykol enthalte. Viele Untersuchungen folgten, weltweit wurde das Produkt vom Markt genommen.
Der Name Eduardo Arias wurde nie genannt. Der 51-Jährige ist trotzdem nicht böse, sagt er der "New York Times". "Ich bin froh, dass ich helfen konnte."

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