Saturday, October 20, 2007

Risiko Auslandszahnersatz - Erfahrungsberichte

Wenn in Zahnarztpraxen gepfuscht wird, trägt der Patient die Folgen

Ungünstige Langzeitwirkungen haben auch die seit einigen Jahren angebotenen Billigbehandlungen in Osteuropa. Hier läßt sich für Patienten meist nur teuer Geld sparen. Zwar kostet eine Sanierung im Vergleich zur Schweiz in Ungarn gerade ein Viertel, die anschliessenden "Nachbesserungen" sind aber vielfach teurer, als die gesamte Behandlung in der Schweiz gekostet hätte. Meist fehlt im Zahnarzttourismus die Zeit für die notwendige Vorbehandlung von Zahnfleisch oder Wurzeln, und so sind die Kunstwerke vielfach auf Sand gebaut.

Seit der "Beobachter" vor Jahresfrist die "verblüffende Qualität" der Zahnbehandlungen in Ungarn gelobt hat, mehren sich die Beschwerden über traumatische Fehlbehandlungen. Häufig werden Patienten nach ermüdender Reise zu "Totalsanierungen" - etwa zur Entfernung des Amalgams - überredet. In aufwendigen Torturen werden die Zähne von wenig erfahrenen und gestressten Zahnärzten nicht immer fachgerecht abgeschliffen und danach teilweise schlecht passende Kronen aufgesetzt. Solche Sanierungen werden dann ihrerseits zum Sanierungsfall.
Einzelne Tour-Operators bieten zwar gegen einen "freiwilligen Beitrag" von hundert Franken in eine Garantiekasse im Schadensfall Anspruch auf Nachbehandlung - wiederum in Ungarn. Eine 27-jährige Flight Attendant, bereits zweifach geschädigt aus Ungarn zurückgekehrt, mochte darüber nur den Kopf schütteln: "Ich fahre doch nicht ein drittes Mal dort hin, wo ich so schlechte Erfahrungen gemacht habe."

Auch Edi Weibel, 36-jähriger Forstwart aus Villmergen, wird sich nicht mehr in Ungarn behandeln lassen. Er hatte sich dort 1994 wegen verschiedener zerbrochener Backenzähne behandeln lassen. Dabei wurden die alten Amalgamfüllungen entfernt. Drei Jahre später musste ein Teil der neu eingesetzten Kronen mit bis zu vier Millimetern überstehenden Rändern "aus medizinisch zwingenden Gründen" umgehend entfernt werden. Im Gutachten eines konsultierten Schweizer Zahnarztes ist von "grobfahrlässig in Kauf genommener Körperverletzung" die Rede: Hochgradig akute Zahnfleischentzündung, Einschränkung der Eigenbeweglichkeit der Zähne, spontane Blutungen, Absterben von Gewebe. Sanierungskosten in der Schweiz: 14900 Franken.

Die 40-jährige Büroangestellte Emiliana Serratore aus dem Zürcher Limmattal hat in Ungarn ähnliche Erfahrungen gemacht. Die allein erziehende Mutter hatte die Ferien ihres Sohnes im Februar zu einer Reise nach Györ benutzt und sich in einer Woche sechs Kronen einsetzen lassen. Kostenpunkt in Ungarn: 3000 Franken, Sanierungskosten in der Schweiz: über 7000 Franken.

Auch die in Ungarn verwendeten Materialien sind nicht immer über jeden Zweifel erhaben. Dass zu den Tiefpreisen kein Gold eingelegt werden kann, ist nicht verwunderlich. Unangenehm wird es erst, wenn der Zahnarzt rostendes Blech einlegt, was eine Patientin aus dem Kanton Zürich erfahren hat. In einem solchen Fall drohen auch elektromagnetische Strahlungen, die chronisches Kopfweh verursachen können.

Auch bei Schweizer Zahnärzten ist nicht alles Gold, was glänzt. Da werden Billigmetalle beigemischt, um die Kosten bei Füllungen um ein paar Franken zu senken. Heikle Palladiumlegierungen gehören noch immer in den Giftschrank vieler Schweizer Zahnlabors. Dabei ist etwa die Beimischung von Kupfer und Gallium in Fachkreisen höchst umstritten, weil es bei Patienten erwiesenermassen zu schweren allergischen Reaktionen führen kann.
So hat ein 57-jähriger Lektor aus Rapperswil seit der Einlage einer billigen Palladium-Kupfer-Gallium-Legierung bei einer Zahnärztin im Jahre 1993 einen langen Kreuzweg hinter sich: "Ich bin vor Schmerzen zeitweilig auf allen vieren um den Esstisch gekrochen." Das "Spargold" korrodierte und begann den Kiefer aufzulösen. Konsultierte Zahnärzte wollten den Kunstfehler in der Materialwahl ihrer Kollegin zunächst nicht bestätigen, bis der Basler Professor Jakob Wirz, einziger Inhaber eines Lehrstuhls für Zahnmaterialien in der Schweiz, die Bedenken gegen die Billiglegierung teilte. Heute werden etwa in deutschen zahntechnischen Labors kaum mehr solche Legierungen verwendet, weil die Gefahr der Unverträglichkeit zu gross ist. Für den Lektor kommt diese Einsicht zu spät: "Ich hätte damals für eine hochwertige Legierung 200 Franken mehr bezahlen müssen. Das wäre für mich selbstverständlich gewesen, wenn ich informiert worden wäre."

Tatsächlich wissen viele Patienten nicht, was sie im Mund herumtragen - womöglich ein kleines Endlager hochgiftiger Materialien. Unter dem Eindruck des wachsenden Kostendrucks seit der Rezession haben viele Zahnärzte im vermeintlichen Interesse ihrer Patienten den Labors die Wahl kostengünstiger Legierungen überlassen. Seit Amalgam in Ungnade gefallen ist, wurde zum Teil auf noch abenteuerliche Alternativen gesetzt. Das Zahnarztunabhängige Beratungszentrum in Dietikon fordert deshalb einen Materialpass, woraus Patienten ersehen, was sie im Mund herumtragen.

Die wachsende Kritik am Berufsstand hat jetzt immerhin das Qualitätsbewusstsein der Schweizer Zahnärzte geweckt. Unter Leitung von Professor Lang wurden im vergangenen Sommer an der Berner Klinik für Paradontologie und Brückenprothetik 120 Patienten auf die Handwerkskunst ihrer Meisterinnen und Meister untersucht. Zwei Studentinnen sind daran, die Ergebnisse auszuwerten. Eine erste Zwischenbilanz lässt erkennen, dass das Geld für Behandlungen in Ungarn häufig gescheiter in die Donau geworfen worden wäre. Was in der subjektiven Wertung der Patienten die Note fünf bis sechs erhielt, erzielte an der Berner Universitätsklinik die Bewertung zwei bis drei. Nicht immer ist indessen auch Schweizer Qualität über jeden Zweifel erhaben. Ein erster Überblick zeigt für Schweizer Zahnärzte eine Normalverteilung mit einem breiten Qualitätsdurchschnitt und vergleichsweise wenigen Pfuschern und wenigen Höchstleistungen.

Autor: Res Strehle
(Quelle: szi - Südbayerische Zahntechniker-Innung)

1 comment:

Parsifal362 said...

Vielen Dank, dass Ihr das Thema angesprochen habt; damit haben wir auch schon vielfach Kontakt gehabt, dass Patienten kostenintensive Nachbehandlungen nach einem Billig-Zahnarzt-Urlaub in Anspruch nehmen mussten. Alexander von zahnarzt-team-zuerich.ch