Monday, August 25, 2008

Abenteuer Medpolska – ein aktueller Patientenfall

Abenteuer Medpolska – ein aktueller Patientenfall


Das Zahnärzteblatt Brandenburg berichtet in seiner Ausgabe 4/2008 über eine Patientin, die insgesamt zehn Mal nach Polen zur Behandlung fuhr und dennoch einer Lösung ihres Problems kein Stück näher kam.Doch lesen Sie selbst, was Dr. med. Michael- Wolfgang Geuther, Mitglied des Rechtsausschusses der LZÄK über diesen Patientenfall zu berichten weiß:


Sicherlich haben die Kollegen im Land Brandenburg auf die Bemühungen einiger Krankenkassen, Patienten zur Kostenreduzierung in Medpolska-Praxen zahnärztlich behandeln zu lassen, ebenso frustriert reagiert wie ich. Der populistische Aufwand, mit dem die Krankenkassen werben, ist ja immerhin recht groß. In Medpolska-Praxen sollen Kassenpatienten in großem Umfang Zahnersatz abfordern. Und zwar ohne Zuzahlung für Regelversorgungen (Voraussetzung: Krankenkasse gewährt Bonus von 30 Prozent).


Werden die Interessen der Versicherten wirklich vertreten?


Im Internet wirbt die Vertragspraxis der Medpolska GmbH/AOK Brandenburg wie folgt: „Es wird höchste Qualität für den Zahnersatz zugesichert und ein Service auf hohem Niveau bei äußerst günstigen Preisen”. Die Kassen suggerieren, dass sie die Interessen der Versicherten vertreten. Aber werden die Interessen tatsächlich vertreten, und wird die in Aussicht gestellte Versorgungsqualität erreicht, wenn Patienten die prothetische Behandlung in Medpolska-Praxen abfordern? Deshalb ist der Erfahrungsbericht einer Patientin, über den ich durch unsere Zahnärztekammer Kenntnis erhielt, sicherlich für alle Zahnärzte in Brandenburg aufschlussreich und soll zum Anlass genommen werden, das Thema „Medpolska” aufzugreifen.


Der Fall einer Patientin


Die Patientin besuchte die Medpolska-Praxis in Slubice, um sich Zahnersatz anfertigen zu lassen. Sie wurde dort von Juli bis November 2007 behandelt. Sie stellte sich insgesamt zehn Mal vor. Was hat sie erlebt? Die Erstkonsultation in Slubice umfasste eine eingehende Untersuchung und die Anfertigung eines OPG. Im Anschluss wurde ein Heil- und Kostenplan zur prothetischen Versorgung erstellt. Es sollte zunächst ein Interimsersatz im Ober- und Unterkiefer eingegliedert werden, später eine klammerverankerte MOGU-Prothese.

Umfangreiche Einschleifmaßnahmen folgten


Anfang Oktober 2007 wurde Zahn 13 extrahiert und in derselben Sitzung wurden die Interimsprothesen eingegliedert. Die definitiven Prothesen erhielt die Patientin im November 2007. Da die Bisslage nicht korrekt eingestellt war, wurden nach Angaben der Patientin umfangreiche Einschleifmaßnahmen sowohl an den Prothesenzähnen als auch an den eigenen Zähnen durchgeführt.


Nun teilte der polnische Zahnarzt der Patientin auch mit, dass ihr Restgebiss eine Parodontitis aufweist, die sie sich in Deutschland behandeln lassen sollte. Dieser Aufforderung kam sie nach und stelle sich im Februar 2008 in einer Zahnarztpraxis in Brandenburg vor.

Patienten nach einer Behandlung in einer Vertragspraxis der Medpolska GmbH/ AOK Brandenburg
Mit den neuen MOGU-Prothesen kommt sie allerdings nicht zurecht. Die ausgiebigen Einschleifmaßnahmen sind auf der Abbildung zu besichtigen. Es wurde an den Restzähnen radikal bis ins Dentin eingeschliffen. Die Höcker sind eingeebnet, konsequenter Weise auch die Höcker der Prothesenzähne (siehe Foto).

Eine gleichmäßige Okklusion kommt nicht zustande.


Die Brandenburger Zahnärztin, die die Patientin im Anschluss behandelte, konnte an den 16 Restzähnen des Gebisses eine akute Parodontitis diagnostizieren. Der PSI ergab durchgängig Grad 4. Die Zähne wiesen Lockerungsgrade I - III auf (Lockerungsgrad III an vier Zähnen - dabei ist die Patientin gerade prothetisch neuversorgt!). Sie stellte eine inkorrekte Bisslage fest und die Folgen der radikalen Einschleifmaßnahmen.


Patientin ist nun erst recht dringend behandlungsbedürftig


Ich stelle fest: die Patientin ist dringend behandlungsbedürftig. Ist das die zugesicherte höchste Qualität, die speziell für Zahnersatz in der Vertragspraxis der Medpolska GmbH/AOK Brandenburg zugesichert wird? Was sind die Gründe für diesen Misserfolg?


Nach meiner Ansicht ist der Misserfolg in der Behandlung zunächst einmal auf die unzureichende und nicht richtlinienkonforme Vorbehandlung zurückzuführen. Zu den - ohne Ausnahme! - erforderlichen Vorbehandlungsmaßnahmen vor jeder Zahnersatz-Behandlung gehört nach der Behandlung der kariösen Defekte und der Extraktion der nicht mehr erhaltungswürdigen Zähne die Behandlung einer vorliegenden Parodontitis.


Ist dieser grobe Behandlungsfehler eine Ausnahme?


Es ist uns deutschen Kollegen bewusst, dass eine unterlassene PAR-Behandlung einengroben Behandlungsfehler darstellt. Kennen unsere polnischen Kollegen die hier gültigen Richtlinien? Wird dort so wie hier nach dem QM-System gearbeitet? Und wer überprüft es? Arbeiten die Kollegen in der Medpolska-Praxis verlässlich richtlinienkonform oder ist dieser Behandlungsfall die große Ausnahme? Die Antworten würden mich interessieren.

Aus meiner Sicht stellt allein die Tatsache, dass eine Patientin gezielt zur prothetischen Versorgung ins polnische Ausland fährt, einen wesentlichen Grund für den im vorliegenden Behandlungsfall entstandenen Misserfolg dar. Der polnische Kollege hat die Patientin, wie gewünscht, eben nur prothetisch behandelt.


Vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis Mittel gegen Misserfolg


In einer lang bestehenden Arzt-Patienten-Beziehung scheint mir dies unmöglich. Arzt und Patient kennen sich hier, wählen gemeinsam den „richtigen” Therapieplan. Die Patienten werden über den notwendigen Ablauf und die Reihenfolge der notwendigen Therapieschritte informiert. In solch einer Arzt-Patienten-Beziehung ist ausreichend Zeit für notwendige Vorbehandlungsmaßnahmen und auch Zeit, um den Erfolg abzuschätzen, um eine relativ sichere Prognose für die Zähne erstellen zu können. Erst jetzt kann das prothetische Konzept entwickelt und der Heil- und Kostenplan dem Patienten ausgehändigt werden.

Leider möchten die Krankenkassen mit ihrer Werbung für die Medpolska-Klinik diese Form der Arzt-Patienten-Beziehung sprengen. Die kostenintensive Prothetik soll der Patient im Ausland machen lassen. Den „Rest“, also alles, was über die Chipkarte abgerechnet wird, lässt der Patient wieder hier bei uns in Brandenburg machen. Ist ja auch komfortabler für ihn, ohne die lange Anfahrt zum polnischen Zahnarzt.


Preiswerte Behandlung? Weit gefehlt!


Wie sieht die Kostenseite denn wirklich aus? Die Patientin fuhr zehn Mal nach Polen. Die Bahnfahrten kosteten sie 300 Euro. Die Rechnungen für die Erstuntersuchung, das OPG und die Extraktion von Zahn 13 betrugen insgesamt 74,34 Euro und wurden ihr von der Krankenversicherung nicht erstattet. Die beiden Interimsprothesen kosteten 336,01 Euro. Die definitiven Prothesen wurden mit 704.4 Euro berechnet. Von den Gesamtkosten (1040,05 Euro) übernahm die Krankenversicherung einen Betrag in Höhe von 734 Euro. Der Eigenanteil der Patientin betrug 306.4 Euro. Für die Patientin beliefen sich die Kosten damit insgesamt auf 680,39 Euro.

Hat sie gespart? Bei dem vorliegenden Misserfolg sowieso nicht, aber hätte sie sparen können, wenn die Prothesen funktionstüchtig gewesen wären? Für die Interimsprothesen hätte die Patientin in Deutschland bei einem Bonus von 30 Prozent einen Eigenanteil von etwa 175 Euro. Bei den Modellgussprothesen würde ihr Eigenanteil bei etwa 400 Euro liegen. Im vorliegenden Behandlungsfall hätte die Patientin (gerechnet mit 30 Prozent Festzuschuss) insgesamt etwa 575 Euro bezahlt, also über 100 Euro weniger! Ein Billigmodell sieht für mich anders aus.
Vorhersagbarkeit des Erfolges im Ausland problematisch


Was die Vorhersagbarkeit des Erfolges betrifft, scheinen mir Behandlungen im Ausland problematisch. Der Patient wird dort nie über einen längeren Zeitraum betreut. Ein Behandlungskonzept wird für ihn nicht erstellt, für eine langfristige und regelmäßige Nachsorge ist dieses Konzept wohl eher nicht gedacht. Es wäre wünschenswert, wenn die Patienten ihrem Hauszahnarzt treu bleiben würden, auch für die Zahnersatzbehandlung. Patienten, die an einer guten Versorgungsqualität interessiert sind, sollten einer „Auslandsbehandlung” eher skeptisch gegenüberstehen.

Quelle: Landeszahnärztekammer Brandenburg

No comments: